Unter den öffentlichen Unternehmen gehören die Berliner Verkehrsbetriebe zu den Social-Media-Schwergewichten mit hunderttausenden Fans auf Twitter, Facebook, Instagram und Co. Unter dem Hashtag #weilwirdichlieben postet das Social-Media-Team eine Bandbreite von schnoddrig-frechen bis zu romantisch-schönen Beiträgen – die jedoch immer eine tiefe Liebe zur BVG und Berlin erkennen lassen.
Dabei gelingt es der BVG, auch Verspätungen oder andere Probleme im täglichen Bahnbetrieb mit Berliner »Schnauze« und dem passenden Kommentar in einen Lacher zu verwandeln. Wie schaffen es die Macher, auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und Wahnsinn immer die richtigen Entscheidungen zu treffen? Wir haben nachgefragt.
Im Social Media Team der BVG arbeiten sechs Leute unter der Führung von Frank Büch, der uns im Interview unsere Fragen beantwortet hat.
Gab es am Anfang keine Bedenken, sich in dieser zeitgemäßen Form zu präsentieren?
Nein. Wir wollten mit unseren potenziellen Kund*innen in Kontakt treten und auf Augenhöhe kommunizieren. Natürlich gab es am Anfang einige Unsicherheiten, ob denn diese neue Art der Kommunikation gut bei unserem Kunden ankommt. Dennoch waren wir ziemlich sicher, dass wir so und nicht anders vorgehen wollen.
Wie sieht es aus mit dem Datenschutz?
Selbstverständlich halten wir uns an alle datenschutzrechtlichen Vorschriften. Als Anstalt des öffentlichen Rechts stehen wir unter besonderer Beobachtung und wollen natürlich jede Form des Datenschutzes einhalten.
Wie sieht die tägliche Arbeit in Ihrem Social-Media-Team aus?
Die Entwicklung der Posts sowie die Betreuung der Kanäle werden von einem Vier-Personen-Team gemacht. In Tagesschichten betreut je ein Teammitglied die Kanäle, während die anderen drei per Chat zum ständigen Austausch bereitstehen.
Eine grobe Ideenplanung findet wöchentlich statt, Anpassungen und Veränderungen erfolgen oft spontan und analog der aktuellen “Lage der Nation”.
Natürlich versuchen wir immer, tagesaktuelle Themen beziehungsweise den Spirit des Netzes aufzunehmen und entsprechende Posts im Kontext zur BVG zu entwickeln. Wir versuchen, so spontan wie nur irgend möglich zu sein und auf langfristige Redaktionsplanungen zu verzichten.
Was sind die Botschaften, die Sie Tag für Tag transportieren wollen und müssen?
Vornehmlich wollen wir unterhalten. Gerade im Zuge der Corona-Bestimmungen kann es zwar vorkommen, dass wir einzelne Info-Posts machen, grundsätzlich konzentrieren wir uns aber auf größere Botschaften: Zusammenhalten in der Corona-Zeit, Rücksichtnahme, Toleranz und weitere gesellschaftliche Themen, die von Relevanz für die Kund*innen und auch uns als BVG sind.
Wie entscheiden Sie, welche Themen in einem Posting veröffentlicht werden?
Themen dienen bei uns eher der Inspiration. Ob ein Post daraus wird, hängt oft davon ab, ob uns ein guter Post dazu einfällt.
Wie viele Postings setzen Sie täglich ab?
Wir setzen in der Regel von Mo – Fr einen Post pro Tag ab. Je nach Anlässen innerhalb der Woche gibt es auch Posts am Wochenende oder Feiertagen.
Wie läuft die Produktion für die Postings ab? Wie viel Aufwand betreiben Sie?
Jeder Post wird relativ kurzfristig entwickelt und angefertigt, um zeitaktuell und relevant zu bleiben. Sobald die Idee steht, wird der Post von Grafiker*innen umgesetzt und innerhalb des Teams abgestimmt, bis er perfekt sitzt. Und schon ist ein neuer Post geboren.
Wie gelingt es Ihnen, permanent so kreativ zu sein? Nutzen Sie bestimmte Kreativ-Techniken?
Das Team trifft sich einmal die Woche und denkt sich die Posts aus. Seit Corona leider nur noch per Call. Aber das hat dem ganzen keinen Abbruch getan, wie man sieht.
Gibt es ein 4-Augen-Prinzip oder andere Kontrollinstanzen, um verbale Ausrutscher zu verhindern?
Es gibt sogar das “unzählige-Augen-Prinzip”. Diese Abstimmung läuft allerdings sehr schnell (aber dennoch bedacht), kurzfristig und unkonventionell. Das genaue Erfolgsrezept nehmen wir aber mit ins (Gleis-)Bett.
Stichwort Kommentare: Wie beobachten Sie die und kommentieren Sie selber auch unter Ihren Beiträgen?
Wir beobachten selbstverständlich Kommentare, Posts, Tweets und Nachrichten auf den Kanälen und beantworten auch ausgewählt. Wenn man hier bei Twitter gut hinschaut, findet man immer wieder Kommentare, die ähnlich gut angenommen werden, wie die Posts selbst.
Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?
Das kommt auf die Anfeindung an. Geht es etwa um 5 Minuten Verspätung, gibt’s auch mal einen Konter.
Was waren ihre drei erfolgreichsten Postings und was hat sie so erfolgreich gemacht?
Die Begründung für die besten drei Posts liegt auf der Hand, wenn man sie sieht: Gesellschaftsrelevanz mit einer großen Portion Haltung.
Welche Postings würden Sie im Nachhinein nicht mehr so veröffentlichen?
Eigentlich keinen. Wichtig ist es, selbstkritisch zu bleiben und bei Widerspruch einen Witz nicht sturköpfig zu verteidigen. Einmal hatten wir etwa das Foto einer Frau mit einem Handtuch auf dem Kopf als “Turban” bezeichnet.
Wir wurden dann schnell darauf hingewiesen, dass der Begriff in diesem Zusammenhang diskriminierend erscheinen kann. Entsprechend haben wir den Post wieder gelöscht. Das war selbstverständlich.
Stichwort Liebling der Woche: Nach welchen Kriterien suchen Sie die Teilnehmer wie Carina, Dennis oder Antje auf, bevor diese z.B. auf Instagram erscheinen? Wie sichern Sie sich bei den eingereichten Beiträgen rechtlich ab?
Potenzielle Lieblinge sollten grundlegend einen ästhetischen Anspruch an ihre Fotokunst mitbringen. Egal in welcher Form. Weiterhin sollte natürlich die BVG in jedem Foto eine Rolle spielen.
Auch dort gilt: Egal in welcher Form. Wir sind immer wieder begeistert, welche Facetten die Lieblinge hier aufzeigen und entdecken. Rechtlich sind wir natürlich durch ein Dokument, welches die Rahmenbedingungen bestimmt und von jedem Liebling akzeptiert werden muss, abgesichert.
Eigentlich will ich pünktlich morgens zur Arbeit kommen und nicht auf die Bahn warten. Sollen die Aktivitäten nur schlechte Trams, Verspätungen und Baustellen kaschieren? Wie zahlt sich die intensive und liebevolle Social Media-Arbeit Ihrer Meinung nach aus?
Die Social Media Arbeit sorgt für einen (bestenfalls) täglichen Kontakt zu den Fahrgästen und darüber hinaus. Und das mit Witz und Humor und so entsprechend mit einem »guten Gefühl«.
Jemandem, mit dem ich sonst ein gutes Gefühl verbinde, nehme ich Fehler weniger übel als jemandem, mit dem ich immer nur schlechte Erlebnisse habe. Wir bauen also eine Freundschaft zu den Kund*innen und Fahrgästen auf. Und einem guten Freund nimmt man einfach weniger krumm.
Gibt es noch einen Link zu offiziellen Zahlen der BVG? Wie viele Menschen werden zum Beispiel täglich transportiert und gibt es noch weitere wichtige Infos?
Weitere offizielle Informationen und Daten findet man unter unternehmen.bvg.de/mediendownloads/.
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